Ich schlage vor, dass eine gesunde ÖKOLOGIE der menschlichen Zivilisation etwa wie folgt definiert werden müsste:
Ein einziges System der Umwelt, verbunden mit hoher menschlicher Zivilisation in dem die Flexibilität der Zivilisation auf die der Umwelt abgestimmt sein soll, um ein fortlaufendes komplexes System zu bilden, das für langsame Veränderungen selbst grundlegender (hart-programmierter) Charakteristika offen ist.” Gregory Baston, Ökologie des Geistes
Der Ökologie-Check ist die Maßnahme mit der verhindert werden soll, daß die Intervention für den Klienten nachteilige Folgen haben könnte. Dabei wird in aller Unschuld so getan, als ob dieser Formatschritt eine unproblematische Technik ist.
Gleichzeitig handelt es sich hier um einen Tribut an den verehrten Lehrer von Bandler und Grinder, Gregory Bateson und wohl auch um die Einsicht, daß ein Eingreifen in ein komplexes System oft Auswirkungen hat, die so nicht beabsichtigt und auch nicht so ohne weiteres vorhersehbar sind.
Hier sollen die unausgesprochenen Vorannahmen dieses Verfahrens näher unter die Lupe genommen werden.
Ich möchte mit einer kurzen Definition für ÖKOLOGIE beginnen:
ÖKOLOGIE ist das Studium von Konsequenzen!
Von was für Konsequenzen mag man sich fragen? Nun von Konsequenzen im Allgemeinen. In Bezug auf Therapie, Coaching usw. würde dies bedeuten:
Studium der Konsequenzen von Interventionen!
- Was passiert, wenn ich A mache?
- Was passiert wenn ich A nicht mache?
- Was passiert nicht, wenn ich A mache?
- Was passiert nicht, wenn ich A nicht mache?
Wenn wir Ökologie in diesem, quasi positivistischen Sinne definieren, dann ist offensichtlich noch nicht das gemeint, was wir mit Ökologie-Check im NLP meinen. Denn hier geht es uns natürlich nicht nur um ein Wissen, was passiert und was nicht, sondern um ein Bewerten, was wünschenswert ist und was nicht.
Der Ökologie- Check im NLP ist also eine Bewertung der Konsequenzen des eingreifenden Handelns und Kommunizierens.
Bei der Bewertung stellt sich erstens die Frage nach wessen Wertmaßstäben?
- Nach denen der Klienten, so wie sie vor der Therapie sind?
- Nach denen der Klienten, so wie sie nach der Intervention wahrscheinlich sein werden?
- Nach der des Therapeuten, im Sinne seiner privaten Vorlieben, wie man als Mensch sein sollte.
- Nach allgemein (oder unter Experten) anerkannten Maßstäben (wie z.B. die Vorannahme: mehr Flexibilität ist besser als weniger.)
- Auf welcher Ebene soll der Lernprozeß stattfinden? Soll es sich um einen Lernprozeß der ersten, der zweiten oder gar der dritten Stufe handeln? Und wer entscheidet das? Auf welcher der “neuro- logischen” Ebenen (Dilts) soll interveniert werden? Und wer entscheidet das?
- Fraglich bleibt auch inwieweit die Auswirkungen auf andere mitberücksichtigt werden soll. Und Wenn ja, aus wessen Beurteilungsperspektive?
- Ist “ökologisch” für das Individuum und “ökologisch” für das System (die Systeme) in der das Individuum lebt identisch?
Und wenn nicht, welche Ökologie hat Vorrang, oder glaubt man, daß es immer eine für beide Seiten zufriedenstellende Vermittlung gibt. Und wenn nicht, wie kommt man als Therapeut zu den Kriterien, die einem sagen, wann ein Individuum ein System verlassen muß. Usw. usw.
- In wie weit darf der Therapeut Techniken anwenden, die in ihren Auswirkungen vom Klienten (und oft auch vom Therapeuten) gar nicht überschaubar sind? (Eingebettete Befehle, post-hypnotische Befehle usw.)
Bevor wir auf diese “ethischen” Fragen zurückkommen, möchte ich allerdings noch auf einige Vorannahmen hinweisen:
- Der Klient ist vor, während oder nach der Intervention in der Lage, (bewußt oder unbewußt) die Konsequenzen der Intervention zu übersehen.
- Der Therapeut kann an Hand von Inkongruenzen Ökologie-Probleme im Sinne von Einwänden von Teilen erkennen.
- Wie immer man sich dies denkt, es läuft darauf hinaus, daß der Organismus als Ganzes über die “Weisheit” verfügt eine solche Abschätzung der Folgen vornehmen zu können.
Diese Vorannahme wird im NLP allerdings nicht explizit eingeführt, sondern es scheint eher so, als wollte man diesen Sachverhalt als eine empirische Tatsachen behandeln. D.h. man tut so, als ob es völlig unstrittig wäre, daß das Bewußt/Unbewußte diese Aufgabe erledigen könnte.
Dies paßt zu der positiven Einschätzung und der naiven Überbewertung des Unbewußten in NLP-Kreisen (“Dein Unbewußtes macht das schon …”)
Wenn man das nicht annimmt, dann bleibt einem nur noch die Position der Juristen: Allgemeines Lebensrisiko! Damit ist gemeint, daß man bei aller Vorsicht und Kompetenz und guten Willen und was auch immer, nie ausschließen kann das etwas schlief geht, dann kann man ja immer noch nachbessern.
Dieses Risiko teilt jeder Klient, der zu einem NLP‘ler geht mit jedem, der zu einem Zahnarzt, einem Chirurgen, einem Steuerberater, einem Rechtsanwalt usw. geht. Im Zweifelsfall haben die allerdings eine Berufs-Haftpflicht-Versicherung.
Es scheint nun so zu sein, daß es im NLP selbst eine eher “skrupulöse” Fraktion gibt, die aus einem eher personalistischen Wertehintergrund kommt und so wenig wie möglich – am liebsten gar nicht – beeinflußen will, sondern alles an Ressourcen aus dem Klienten herauselizitieren will, um ja nichts zu installieren. Im Umkreis dieser Fragen geht es dann natürlich auch um das ledige Thema” Manipulation” usw.
Und eine andere Fraktion, die eher von der Einstellung ausgeht, daß es in gar keiner Weise garantiert ist, daß der Klient aus sich heraus nicht zu einer unökologischen “Lösung” kommen kann, und daß es außerdem im Leben tatsächliche Kompetenzunterschiede gibt, die es dem Kompetenteren ermöglichen eine höhere Einsicht in das zu haben, was für jemanden gut ist, und daß dieser Unterschied auch, zumindest in vielen Therapiesituationen, derart vorhanden ist, daß es geradezu die Pflicht des Therapeuten ist, seine größere Kompetenz für des Klienten einzusetzen, auch wenn der im Moment der Intervention oder einige Zeit danach mit dieser gar nicht einverstanden ist.
In diesem Zusammenhang werden dann häufig Anekdoten von Erickson oder anderen berühmten Therapeuten erzählt, die in einer Intervention etwas machten, worüber sich der Klient furchtbar aufregte, später aber zugab, daß genau das ihm oder ihr geholfen hat.
Wo hört aber diese Freiheit des Therapeuten auf und kippt um in einen manipulativen und mißbrauchenden Umgang?
Viele der eher personalistisch-humanistisch geprägten Therapeuten versuchen sich aus diesem Dilemma zu befreien, in dem sie nicht nur sagen, daß sie so wenig wie möglich direktiv sein wollen, sondern, daß es ihnen darum geht, daß sich der Klient gut fühlt. K+ über alles!
Es gibt ein viel zitiertes Wort von Bandler zu diesem Thema. Er sagte mal auf einem Seminar in einer Diskussion mit Psychologen – sinngemäß -, daß Therapeuten, denen es darum geht, daß sich ihre Klienten wohl fühlen, ihren Beruf verfehlt hätten, dafür sind Prostituierte, Entertainer, Dealer usw. zuständig. Therapeuten sind dazu da, daß sich ihre sich Klienten verändern.
Was natürlich nicht bedeutet, daß sie sich nicht nach der Veränderung viel besser fühlen als vorher, aber die Veränderung steht im Vordergrund und nicht das K+.
Je nachdem, wie man sich zu diesen Fragen stellt, und dies hat sehr viel damit zu tun, aus welchem Wertesystem heraus man argumentiert, wird man bestimmte Interventionsmethoden als legitim oder als fragwürdig bewerten. So sind viele NLP‘ler gemeinsam mit Bandler begeistert von Frank Farrelllys Provokativer Therapie, andere hingegen lehnen einen solchen Umgang mit dem Klienten ab.
Oder wenn wir unser Instrumentarium um systemische Ansätze, wie z.B. den von Hellinger erweitern, dann stellen sich viel komplexere Ökologie-Probleme, als in einem individualpsychologischen Ansatz.
Ich denke es sollte durch das bisher gesagte klar geworden sein, daß sich die Frage nach der Ökologie einer Intervention, bzw. einer Methode, nicht auf die Frage reduzieren läßt:
Gibt es irgend einen Teil, der einen Einwand gegen diese Veränderung hat?
Damit soll nun aber andererseits nicht gesagt werden, daß diese Frage sinnlos sei, oder gar nicht erst gestellt werden bräuchte. Vielmehr soll eine Diskussion eröffnet werden, was Ökologie sonst noch heißen könnte und wie sie ganz konkret in die therapeutische Arbeit integriert werden kann.
Wie kann die Ökologie so in das Vorgehen eingebaut werden, daß sie nicht länger eine äußerlich- nachträgliche Überprüfung der Interventionsergebnisse darstellt? Hierzu siehe die Arbeit über NLP & PKL insbesondere das DIAMOND-Format.
Nun zurück zu den oben angeschnittenen “ethischen” Problemen. Ich möchte einige etwas mehr im Detail diskutieren, um zu zeigen, daß es sich hier um Fragen handelt, die bei mehr oder weniger jeder Intervention virulent sind.
Also nochmals: Nach wessen Wertmaßstäben entscheiden wir, welche Konsequenzen wünschenswert sind?
Nach denen des Klienten!
Diese Position ist in ganz vielen Situationen angebracht und völlig unproblematisch, allerdings nicht immer.
So ist es im NLP gängige und empfohlende Praxis mit dem Klienten eine Zieldefinition zu erarbeiten.
D.h. man fragt ihn,
was möchtest du für dich erreichen und woran würdest du merken, daß du dein Ziel erreicht hast?
Nun haben wir als NLP‘ler Kriterien für wohlgeformte Ziele, die es uns ermöglichen allein darüber schon mal die ersten möglichen unökologischen Zielvorstellungen zu korrigieren. Diese Kriterien sind alle strukturell und nicht inhaltlich, was dem grundsätzlichen Ansatz des NLP entspricht. Allerdings können wir diese Kriterien um das Kongruenz-Kriterium erweitern und bekommen dann einen zusätzlichen Hinweis darauf, ob das Ziel auch erreicht werden darf.
Bei den sog. Systemischen Verstrickungen ist eine kongruente Zieldefinition aus doppeltem Grund nicht möglich:
1.) der Klient hat bei der Zielvorstellung nur sehr allgemeine und wenig motivierende Vorstellungen. Das Erreichen des Ziels (z.B. beruflicher Erfolg) wird als Verletzung der Solidarität mit einem Sippenmitglied erlebt, mit dem man identifiziert ist. Dadurch entsteht einerseits eine bewußte Bewegung auf das Ziel zu und eine unbewußte Vermeidungshaltung. Ein solches Ziel kann durchaus alle Kriterien für wohlgeformte Ziele erfüllen, außer das der Klient über das Ziel auf eine Art redet, die nicht besonders überzeugend wirkt.
2.) Die Zielvorstellung ist selbst Ausdruck der systemischen Verstrickung.
Das Ziel ist Antwort auf Lebensprobleme, die aus einer systemischen Verstrickung entstehen, ohne daß der Klient die Ursache erkennt oder diese verändern möchte, im Gegenteil die von ihm erdachte Lösung würde das Problem noch stabilisieren.
D.h., daß zumindestens nicht immer, die Ziele der Klienten, auch wenn sie sensorisch definit, positiv formuliert, allein zu erreichen usw. sind auch ökologisch sind.
Nach denen des Klienten, so wie sie nach der Intervention wahrscheinlich sein werden.
Nach einer Intervention sind die Werte und Ziele eines Menschen oft nicht mehr die selben wie vorher. Was bedeutet dies für eine vorab Zielbestimmung?
Nach der des Therapeuten , im Sinne seiner privaten Vorlieben, wie man als Mensch sein sollte.
Viele NLP‘ler werden bei diesem Punkt sicherlich sofort den Kopf schütteln und feststellen, daß dies nicht mit der Grundhaltung des NLP vereinbar ist. Doch wenn wir uns die Interventionen von Erickson, Virgina Satir, Bandler usw. ansehen stellen wir immer wieder fest, daß bestimmte Bemerkungen während der Therapie, bestimmte States, die elizitiert werden (z.B. Humor) den Werten des Therapeuten entsprechen. So sagt man Erickson nach, daß er seinen Klienten – ob sie wollen oder nicht – ungefragt suggerierte, daß eine Familie und Kinder zu einem erfüllten Leben dazugehörten.
Ob dies völlig auszuschließen ist, soll hier nicht diskutiert werden. Sicherlich ist unter NLP‘lern commen sense, daß die persönlichen Kriterien des Therapeuten zumindest im Hintergrund bleiben sollten, und insofern nicht das entscheidende Kriterium für die Ökologie eines Ziels sein können.
Da gegen möchte ich eine Überlegung von Frank Farelly ins Feld führen:
Ein wichtiger Aspekt der therapeutischen Kompetenz besteht seiner Meinung nach darin mit dem Klienten einen sozial-psychologischen Realitätstest zu machen. Dies entspricht ungefähr dem, was Bandler in der Devise: No confidence without comptence zusammengefaßt hat.
Beispiel:
Ein junger Chirurg kommt zu einem NLP‘ler und formuliert sein Ziel: “Ich möchte gerne mehr Selbstbewußtsein haben um mich an wirklich große Operationen heranzuwagen!” Bevor dieses Ziel näher spezifiziert werden kann, sollte man diesen jungen Arzt fragen, wieviel Erfahrung er bereits als Chirurg hat. Hat er die nötige Kompetenz für große Operationen?
Es gibt schon genug Menschen, mit einem unangemessenen aufgeblasenen Selbstbewußtsein, wir müssen diese Gruppe nicht unbedingt noch mit Hilfe der NLP-Technologie vergrößern.
Obwohl mir scheint, daß diese Einsicht Bandlers längst nicht commen sense in der NLP Community ist. Auch hier zeigt sich, daß es nicht ganz so einfach ist völlig trennscharfe Kriterien für alle Lebenslage zu definieren.
Nach allgemein (oder unter Experten) anerkannten Maßstäben? (Wie z.B. die Vorannahme: Mehr Flexibilität ist besser als weniger.)
Mehr Flexibilität, mehr Wahlmöglichkeiten usw, sind z.B. Werte, die sehr vielen NLP-Interventionen zu Grunde liegen. Wie ist dies bei der Arbeit mit einem fundamentalistisch eingestellten Klienten? In jeder therapeutisch Schule bilden sich im Laufe der Zeit Vorstellungen heraus, die die allgemeine Richtung angeben, in der die Interventionen ablaufen. Sie werden gewöhnlich nicht vorher mit dem Klienten diskutiert, was sicherlich auch nicht besonders förderlich wäre, sondern einfach vorausgesetzt.
Auf welcher Ebene soll der Lernprozeß stattfinden? Soll es sich um einen Lernprozeß der ersten, der zweiten oder gar der dritten Stufe handeln? Und wer entscheidet das?
Der Therapeut entscheidet nach seinen bewußten oder unbewußten Kriterien, nach seinem Wissen und Können, auf welcher Ebene er interveniert. Er entscheidet, ob er z.B. nach einer Intervention wie “Anker- verschmelzen” (Lernen 1-Stufe) weitermacht und den Klienten auffordert die übergreifende Struktur zu verändern, von der sein Problem, mit dem er zur Therapie kam, nur ein Spezialfall war (generative Therapie, Lernen II.-Stufe).
Egal was der Therapeut macht, er bestimmt den Rahmen seiner Arbeit. Dies soll hier gar nicht kritisiert werden, allerdings kann man dann wohl kaum davon sprechen, daß der Therapeut quasi wertneutral bei der Erreichung der Ziele seines Klienten behilflich ist.
Fraglich bleibt auch inwieweit die Auswirkungen auf andere mit berücksichtigt werden sollen. Und Wenn ja, aus wessen Beurteilungsperspektive?
So ist es oft so, daß therapeutische Veränderungen für den Klienten angenehm und ökologisch sind, daß aber relevante andere die Veränderungen als unangenehm und unangemessen empfinden. Wie geht der Therapeut damit um? Werden diese Konsequenzen in der Arbeit berücksichtigt und wenn ja mit welchem Ziel?
Ist “ökologisch” für das Individuum und “ökologisch” für das System (die Systeme) in der das Individuum lebt identisch? Und wenn nicht, welche Ökologie hat Vorrang, oder glaubt man, daß es immer eine für beide Seiten zufriedenstellende Vermittlung gibt. Und wenn nicht, wie kommt man als Therapeut zu den Kriterien, die einem sagen, wann ein Individuum ein System verlassen muß. usw. usw.
Um dieses sehr weite Feld exemplarisch etwas deutlicher werden zu lassen, hier ein Beispiel:
Adoptiv-Eltern haben Erziehungsprobleme mit ihrem adoptierten Kind. Der systemische Hintergrund ist den Beteiligten verborgen. Er besteht darin, daß die Adoptiv-Eltern glauben, daß sie die besseren Eltern sind. Dies sagen sie allerdings nie.
Die systemische Lösung ist klar und eindeutig. Die Adoptiv-Eltern müssen die wirklichen Eltern anerkennen. Damit haben sie allerdings große Schwierigkeiten, weil diese auf eine Art leben, die ihren Wertvorstellungen völlig widerspricht.
Unserer Erfahrung nach ist hier mit dem Konflikt-Integrations-Modell, mit dem entmachten von calibrated- loops u.ä. gar nichts zu machen. Die Lösung muß der Therapeut wissen und kann sie nicht (ressourceorientiert) elizitieren. Wenn die Klienten sich nicht mit dem Vorschlag des Therapeuten anfreunden können, dann müßte dieser an dieser Stelle die Arbeit abbrechen, um nicht durch sein Weitermachen die Illusion einer anderen Lösung noch zu fördern.
Dieses Beispiel ist außerdem geeignet zu zeigen, wie die Maßstäbe eines Experten (Familientherapeuten) die Ökologie einer Intervention positiv oder negativ beeinflussen können.
In wie weit darf der Therapeut Techniken anwenden, die in ihren Auswirkungen vom Klienten gar nicht überschaubar sind? (Eingebettete Befehle, post-hypnotische Befehle usw.)
Wie immer man zu diesen Techniken steht, eins ist klar, der Klient ist nach der Intervention nicht in der Lage die Konsequenzen abzuschätzen, da sie ihm gar nicht bewußt sind. Und auch der Therapeut kann nicht genau wissen, wie sich seine Instruktionen konkret auswirken werden. Es soll hier gar nicht der Teufel an die Wand gemalt werden, lediglich darauf hingewiesen werden, daß hier die Frage nach den möglichen Einwänden gegen die Auswirkungen der Intervention nicht greifen kann.
Die Frage nach der sozialen Relevanz einer Therapiemethode scheint Mitte der 90‘er nicht besonders zeitgemäß. Seit die Studentenbewegung endgültig zur historischen Anekdote reframed wurde kann man wieder “positiv” an der gesellschaftlichen Entwicklung mitarbeiten.
Vergessen sind die 70‘er in denen NLP in California im Klima sozialer Emanzipation entstand. NLP proklamiert individuelle Optimierung:
- sich selbst besser motivieren
- bessere Strategien
- optimalere states
- angemessene Glaubenssätze
Dadurch hat der NLP´‘er die Möglichkeit seine individuelle Befindlichkeiten in Richtung auf 24 Std. Happyness und Wellness zu entwickeln. Was dir im Äußeren begegnet ist der Spiegel deiner individuellen Glaubenssätze – nicht der Reflex sozio- ökonomischer Bedingungen. Damit paßt NLP optimal in eine angstgetriebene weg-von Motivation der bürgerlichen Mittelschicht. Angesichts 4 Mio. Arbeitslosen und steigender Tendenz wird NLP so zum individuellen Aufrüstungsprogramm.
- Arbeitslosigkeit und Geldprobleme erscheinen dann als:
- mangelnde Flexibilität
- unbewußte Erfolgsbremsen usw.
Ähnlich wie in einem zu kleinen Kasten für Maikäfer drängeln sich alle oben an den Luftlöchern. Und die, die gerade oben sind, oder sich am besten oben halten können vermitteln jetzt den anderen den Eindruck, als ob es alles nur eine Frage der richtigen Strategie, des richtigen States usw. ist. Und in einem gewissen stimmt dies natürlich auch.
Doch besser wäre ein größerer oder noch besser gar kein Kasten.
Das völlige Fehlen von sozial-psychologischen Kategorien im NLP macht NLP unter anderem auch so leicht integrierbar in innerbetriebliche Aus- und Weiterbildungsprogramme, die natürlich daran interessiert sind den einzelnen Mitarbeiter optimal für die Kapitalverwertungsinteressen psychisch zu optimieren; dafür werden diesem dann als Gegenleistung besondere Aufstiegsmöglichkeiten in Aussicht gestellt. Allerdings werden dadurch die Stellen, die es zu vergeben gibt, nicht mehr. Auch hier fehlen dem NLP bisher systemische Kategorien, die es ermöglichen würden, die Arbeitsweise im System Unternehmen kritisch zu reflektieren. Welche Rolle in diesem Zusammenhang das Resonanz-Projekt von Gundel Kutschera spielt wäre noch genauer zu untersuchen. Diese überindividuellen, systemischen Aspekte des Ökologieproblems sind bereits bei Bateson angedacht, allerdings im NLP nicht aufgenommen worden. Je nachdem in welchen Einsatzgebiet man NLP benutzt, wird man mit diesen Aspekten mehr oder weniger stark in Berührung kommen.